02/2010 Erfahrungsbericht von Caroline Balmer, Wilderswil, CH
Als ich das erste Mal auf das Thema Windelfrei stiess, überflog ich das Geschriebene und war irritiert. Eine amerikanische Idee? Wollen die wirklich sogar die Ausscheidungen ihrer Kinder kontrollieren? Ich stellte den PC ab und dachte nicht weiter darüber nach.
In der Nacht war mein Sohn neben mir wieder so unruhig. Ohne gross nachzudenken nahm ich ihn und ging ins Bad, entfernte die Windel und hielt in über das Waschbecken. Sofort sprudelte es. Seine Augen waren geschlossen doch er grinste über das ganze Gesicht vor Erleichterung. Ich trug ihn wieder ins Bett, diesmal ohne Windel, legte ihn auf ein Badetuch und deckte ihn zu. Er schlief immer noch, nun ruhig und entspannt.
Die restliche Woche stand im Zeichen von „windelfrei“. Ich konnte es ja versuchen. Ich las nochmals ganz genau worum es ging. Nicht die Kinder lernen ohne Windel zu sein, sondern die Mütter lernen, auf ihr Kind zu achten. Kommunikation war gefragt. Eine Mutter spürt die Bedürfnisse ihres Babys ziemlich gut. Ich beschloss keine halben Sachen zu machen und zog unseren Kindern die Windeln aus. Die erste Windelfrei-Woche war spannend, turbulent, erstaunlich und zuweilen auch feuchtfröhlich. Elena (zwei Jahre alt) hatte schnell begriffen, worum es ging. Nach ein paar nassen Hosen war sie bereits Ende der Woche so gut wie trocken. Bei Victor (15 Wochen alt) brauchte ich bis Ende der Woche, um seinen Rhythmus kennen zu lernen.
Es war gar nicht so schwierig. Da Babys wirklich nicht im Schlaf pinkeln, immer aber nach dem Aufwachen, war das „erste“ Pipi leicht aufzufangen. Ich hielt ihn immer über das Waschbecken und sah ihn so auch immer im Spiegel und er mich. Nach dem ersten Pipi vergingen meist 20 Minuten bis er wieder musste, danach nochmals 20. Dann wurden die Abstände etwas länger bis zu 45 Minuten. Nach dem Stillen verstrichen 20-30 Minuten bis er musste. In der Nacht war es am einfachsten, da ich immer sofort merkte, wann er unruhig wurde. Der Nachttopf machte seinem Namen alle Ehre. Das hört sich zeitaufwändig an. Ist es auch. Aber nur am Anfang. Sobald ich den Dreh raus hatte, ging ich mit meinem Baby so selbstverständlich ins Bad wie man sich die Nase putzt oder am Kopf kratzt. Dabei spielt die Intuition eine grosse Rolle. Manchmal dachte ich: „Muss er?“ wollte aber noch schnell etwas fertig machen und schon war es zu spät. Mit der Zeit lernte ich, sofort zu reagieren, wenn ich nur einen flüchtigen Gedanken daran hatte. Ein kaum zu Ende gedachtes „vielleicht muss er mal“ und ich war schon auf dem Weg ins Bad. Er zeigte mir auch, wenn ich mich irrte, indem er sich verdrehte und lautstark reklamierte.
Wir haben nie ganz auf Windeln verzichtet. Auf Autofahrten oder beim Einkaufen haben wir Windeln benutzt, ebenso in den Streikphasen. Diese kommen bei fast allen Windelfrei-Babys vor, meistens im Zusammenhang mit einem neuen Entwicklungsschritt. Bei Victor war die erste schwierige Phase mit acht Monaten, als er anfing, an den Möbeln entlang zu gehen. Etwa vier Wochen ging gar nichts mehr. Er signalisierte nicht mehr, der Rhythmus war ganz anders und interessanterweise war auch meine Intuition wie weggeblasen. Von einem Tag auf den anderen war der Spuk vorbei und es lief bis auf wenige „Patzer“ pro Woche wieder gut. Eine weitere schwierige Phase folgte mit 14 Monaten und noch eine mit 17 Monaten. Heute ist er 21 Monate alt und ich bin gespannt auf windelfrei direkt ab Geburt, wenn im Frühling unser drittes Kind zur Welt kommt.